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Von Ganymed zur Nāgakönigin. Gedanken zum Fragment einer Gandhāraskulptur in deutschem Privatbesitz


Pages 179 - 206

DOI https://doi.org/10.13173/zeitdeutmorggese.164.1.0179




Summary

It is generally agreed that the Gandhāran reliefs showing Garuḍa the mythical king of the birds abducting a snake maiden imitate a famous sculptural group by the Greek sculptor Leochares representing the abduction of the Trojan prince Ganymede by Zeus in the guise of an eagle. However, no agreement has been reached concerning the Buddhist message of the configuration. The turban ornament discussed in this paper presents an occasion to propose a new interpretation. The study asks what motivated a Gandhāran sculptor to graft the Greek myth upon the Indian tradition. This leads to a glance at the cultural history of the two mythical animals and their position in Buddhism expressed in the pious legends. It is noted that the dramatic abduction scene lends itself to being deciphered on more than one level depending on the personality of the viewer. Its likely message is examined in relation to the cult statue of the bodhisattva of which it once formed part and the question of a possible Mahāyāna background is raised. The paper includes a list of 25 published reliefs and, in a second part, surveys the development and briefly discusses the significant examples.

Kandern

1 Zu Garuḍa siehe M. Stoye: „Garuḍa und Ganymed.‟ In: Gandhāra – Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese. Mainz 2008, S. 268–269; M. Zin: Ajanta – Handbuch der Malereien. 2: Devotionale und ornamentale Malereien. Wiesbaden 2003, S. 131–132, 140; E. M. Raven: Gupta Gold Coins with a Garuḍa Banner: Samudragupta-Skandagupta. Groningen 1994, S. 17–50, 144; J. Charpentier: Die Suparṇasage. Untersuchungen zur altindischen Literatur- und Sagengeschichte, 1920; B. Jayawardhana: „Garuḍa.‟ In: Encyclopaedia of Buddhism. Colombo 1961–1991, S. 311–312.

2 Zu den Nāgas siehe: Zin 2003, S. 121–130; W. Zwalf: A Catalogue of the Gandhāra Sculpture in the British Museum. London 1996, S. 44; J. P. Vogel: Indian Serpent-Lore or The Nāgas in Hindu Legend and Art. London 1926 [reprint Delhi 1972].

3 Die archäologischen Grabungen haben zahlreiche Belege dafür erbracht, dass Nāgas in eigenen Kulten verehrt wurden. Zu den Funden in Indien siehe Zin 2003, S. 126–127, zu Gandhāra Zwalf 1996, S. 44. Zur Nāgaverehrung in der Gegenwart Vogel 1926, S. 245–280.

4 Zum Wechsel der Erscheinungsformen siehe Zin 2003, S. 133; Raven 1994, S. 19 mit Anm. 2.14, 2.16; Vogel 1926, S. 142.

5 Siehe das Halbmedaillon an der ebenerdigen Balustrade von Stupa 2 in Sāñchi, Ende 2. Jh. v. Chr., J. H. Marshall / A. Foucher: The Monuments of Sāñchi. Delhi 1940, 3, Taf. 81, Abb. 38 b. Auf einem Elfenbeinband aus Begram, Afghanistan, wacht eine Kette frontaler Garuḍas mit Schlangen in den Schnäbeln vor einem Zaun, siehe Gandhāra 2008, S. 342, Nr. 262, Paris, Musée Guimet, 2.-4. Jh. n. Chr.

6 Zu Ganymed siehe Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC) IV, S. 154–169 (H. Sichtermann) und ders: Ganymed. Berlin 1953. Älteste literarische Quelle ist Homer, Ilias 20, 230–235. Von Anfang an bis in die Spätantike, so Sichtermann, wurde als Beweggrund für die Entführung die Liebe des Zeus genannt.

7 Zu Leochares siehe die Marmorgruppe im Vatikan, LIMC IV, 2, Taf. 95, Nr. 251, eine römische Kopie, die „noch immer als die treueste Nachbildung des Werkes des Leochares anzusehen‟ ist (H. Sichtermann); M. Bieber: The Sculpture of the Hellenistic Age, New York 21981, Abb. 198; G. Azarpay: „A Jātaka Tale on a Sassanian Silver Plate.‟ In: Bulletin of the Asia Institute 9 (1997), S. 101, Abb. 2.

8 Das Motiv wurde von der hellenistischen und der römischen Kunst vielfach kopiert und abgewandelt. Ein bemaltes Glas mit der Darstellung der Ganymedentführung befand sich in dem großen Fundkomplex römischer Handelsware, der in Begram, Afghanistan, zutage kam, siehe Azarpay 1997, S. 111, Abb. 17. Zu Begram siehe O. Kurz: „Begram et l'occident Greco-Romain.‟ In: J. Hackin: Nouvelles recherches archéologiques à Begram.„ Paris 1954 (Mémoires de la Délégation Archéologique Française en Afghanistan 11), Nr. 60, S. 103–104, Abb. 265; M. Menninger: Untersuchungen zu den Gläsern und Gipsabgüssen aus dem Fund von Begram (Afghanistan). Würzburg 1996. Bekannt war das Motiv auch aus der Steinschneidekunst. Ein hellenistischer Gemmenabdruck wurde in Baktrien gefunden, siehe H. P. Francfort: „Le sanctuaire à niches indentées, pt. 2, Les trouvailles.‟ In: Fouilles d'Aï Khanoum III. Paris 1984 (Mémoires de la Délégation Archéologique Française en Afghanistan 27), S. 44–45, 118–119, Taf. XVII, Nr. 19. Ein weiterer ähnlicher Abdruck stammt aus einer Privatsammlung in Pakistan, siehe A. D. H. Bivar: „An unknown Punjab seal collector.‟ In: The Journal of the Numismatic Society of India 23 (1961), S. 309–327, Taf. VII, Nr. 7; u. ders.: „The Historical Origins of the Art of Gandhāra.‟ In: Pakistan Archaeology 26 (1991), S. 69, Abb. 2. Vorbild der Glyptik ist das Werk des Leochares.

9 Garuḍas Entführung einer Nāginī ist ein Sonderfall in der Gandhāraplastik, denn das Thema ist in keinem Schriftzeugnis nachweisbar. Azarpay hat dennoch vorgeschlagen, es als Jātakavariante zu deuten. Siehe zuletzt Azarpay 1997, S. 99–125.

10 Siehe Anhang.

11 London, British Museum, Inv. AN 384715. Gandhāra 2008, S. 268, Abb. 1; Azarpay 1997, S. 114, Abb. 23; LIMC IV, I, S. 170, Nr. 7.

12 Zum Vater und König des Garuḍageschlechts macht ihn das indische Epos Mahābhārata; siehe Zin 2003, S. 131 mit Anm. 5.

13 Zur Nicht-Zweiheit siehe: Das Vimalakīrti-Sūtra (Das Sūtra über die Erlösung), nach einem Manuskript von Kawase Kozyun, übersetzt von Jakob Fischer / Yokota Takezo, Frankfurt 2005 (überarb. Nachdruck d. Ausg. Tokyo 1944), Kap. IX, S. 72: „Der Eintritt in die Lehre von der Nicht-Zweiheit.‟ „Alles irdische Leiden entsteht aus den Gegen sätzen, die man bei den Dingen aus Unkenntnis voraussetzt; die Lehre von der Nicht-Zweiheit ist der Kernpunkt des Buddhismus.‟ (Anm. 69 d. Übersetzer).

14 Zum Bodhisattvaideal und dem neuen Erlösungsweg des Mahāyāna, auf dem Mitleid gleichrangig ist mit Weisheit, siehe: E. Conze: Eine kurze Geschichte des Buddhismus. Frankfurt a. M. 1984, S. 51–55: „Handeln und Erkennen, so glaubt man, müssen immer Hand in Hand gehen, um geistig fruchtbar zu werden.‟ (S. 54).

15 R. Wittkower: Allegory and the Migration of Symbols. London 1977, S. 16–44. Zum Thema siehe auch K. Mitra: „The Bird and Serpent Myth.‟ In: Quarterly Journal of the Mythic Society (Bangalore) 16 (1925/1926), S. 79–92, 180–200; H. Zimmer: The Art of Indian Asia. Completed and edited by J. Campbell. New York 1955, S. 42–67.

16 „Das Absolute differenziert sich in polarisierten Manifestationen, und durch diese werden die vitalen Spannungen des Weltprozesses ins Dasein gebracht und aufrecht erhalten.‟ Siehe H. Zimmer: Mythen und Symbole in indischer Kunst und Kultur. Zürich 1951, S. 82–87, zum Thema Schlange und Vogel.

17 Siehe Wittkower 1977, S. 21.

18 A.K. Coomaraswamy: La sculpture de Bharhut. Paris 1956 (Annales du Musée Guimet: Bibliothèque d'art N. S. 6), Taf. VIII, Abb. 23, Taf. IX, Abb. 27. In der frühen buddhistischen Kunst wurde der Buddha nicht als Person dargestellt. Seine Anwesenheit wurde durch Fußspuren angedeutet, oder durch Symbole, die auf die betreffende Episode seines Lebens hinwiesen. So stand der Baum, unter dem er nach langer Meditation die Erleuchtung erreichte, in den Reliefs von Bharhut und Sāñchi für seine Person bei dieser Erfahrung.

19 Am Westtor des Großen Stupas von Sāñchi umfliegen Garuḍas einen Stupa, der den Tod des Buddhas symbolisiert. Siehe: Marshall/Foucher 1940, II, Taf. 63; J. Marshall: The Buddhist Art of Gandhāra. Cambridge 1960, Taf. 3, Abb. 5.

20 Coomaraswamy 1956, Taf. IX, Abb. 26, Taf. XI, Abb. 30. Allein in Gegenwart oder durch das Eingreifen des Erleuchteten war ein friedliches Beisammensein der beiden Todfeinde möglich. Siehe hierzu Zin 2003, S. 131–132 mit Anm. 10; Raven 1994, S. 20; Wittkower 1977, S. 21; Mitra 1925/1926, S. 190. Quelle: Dīghanikāya XX, 11, 5–12.

21 Zum Thema siehe Vogel 1926, S. 93–131. Von Elāpattra, einem der legendären Nāgarājas der Gegend von Taxila, wird berichtet, dass er den Buddha im Wildpark von Benares fragte, wann er von seinem Nāgakörper befreit und eine Wiedergeburt als Deva oder Mensch erreichen würde; die Szene ist in einem Relief in Peshawar dargestellt, siehe Vogel ebd. S. 105–107 und Taf. VIII a. Quelle: Mahāvastu III, S. 383; Buddhacharita XVII, 3. Nicht genannt wird der Name des Nāgas, der sich als Mönch ordinieren lassen wollte, um auf diese Weise als Mensch wiedergeboren zu werden, und vom Buddha erkannt und aus dem Kloster gewiesen wurde, siehe Vogel ebd. S. 110–111. Quellen: Mahāvagga 1, S. 63; Vinaya Piṭakam 1, S. 86.

22 Siehe Vogel 1926, S. 95–96. Quellen: Lalitavistara (ed. Lefmann) 1, S. 83, 11, 21–22, S. 93, 11, 3–4; Buddhacharita 1, 27, 35 u. 38; Mahāvastu (ed. Senart) II, S. 23, 11, 4–7 u. S. 24, 11, 17–20.

23 Siehe Vogel 1926, S. 125–127; Quelle: Mahāparinibbāna-sutta (ed. Childers) S. 68.

24 Der Überlieferung nach waren selbst Heiraten zwischen Menschen und Angehörigen des Nāgavolkes keineswegs selten, denn die Schlangenmädchen waren für ihre körperlichen Reize hochberühmt. Der chinesische Pilger Hiuen Tsiang [Xuanzang] berichtet die Legende, nach der ein Jüngling des Sakya-Clans ein Schlangenmädchen zur Frau nahm und später König von Udyana (Swat) wurde, siehe Vogel 1926, S. 123–125; Si-Yu-Ki [Hsi-yu chi], Buddhist Records of the Western World. Übersetzt von S. Beal. London 1884, 1, S. 128–130. Etliche Fürsten häuser von Indien bis Cambodia führen ihren Stammbaum auf einen Nāgavorfahren zurück, hierzu Vogel 1926, S. 33–37

25 Zum Uraga-Jātaka siehe Vogel 1926, S. 133, 142. Uraga-jātaka (Nr. 154): Jātaka II, S. 12, Cambridge transl. II, S. 9–11.

26 Siehe Marshall/Foucher 1940, 3, Taf. 46, „… and both are forgetting their natural enmity in the contemplation of the Blessed One.‟

27 E. Conze (Buddhistisches Denken. Drei Phasen buddhistischer Philosophie in Indien. Frankfurt a. M. 1990, S. 22–23) spricht davon, „daß in aller die Zeiten überdauernden Philosophie traditionell drei Schichten qualitativ ungleicher Gegebenheiten unterschieden werden: natürliche, magische und geistliche. Die menschliche Verfassung ist demnach dreigeteilt, die Wirklichkeit zeigt sich auf drei Ebenen und dreifach erscheint auch die mögliche Haltung, die wir gegenüber den Ereignissen annehmen können.‟ Wenn man das Entführungsmotiv zu entschlüsseln versucht, gelangt man unwillkürlich dahin, die von Conze unterschiedenen drei Ebenen zu erkennen. Die mittlere Ebene des Motivs, die sich an die Kraft zur Wandlung wendet, ist die Ebene der intuitiven Schau.

28 Man war sich bewusst, dass jeder Mensch die Botschaft der Lehre auf seine Weise empfing. Im Vimalakīrtinirdeśasūtra wendet sich Ratnakuti an den Buddha mit den Worten: „Wenn Du auch nur mit einer Stimme das Gesetz predigst, so versteht es doch jeder, und zwar jeder nach seiner Art, und es meint auch der Letzte, dass Du gleich immer in seiner eigenen Sprache redest. Das ist die göttliche Kraft Buddhas und seines unvergleichlichen Gesetzes. Du predigst mit der einen heiligen Stimme, und so wie sie es verstehen, so nimmt jeder es auf zu seinem Vorteil. Das ist die göttliche Kraft Buddhas und seines unvergleichlichen Gesetzes. Obwohl Du auch nur mit der einen heiligen Stimme predigst, so freut sich der eine, der andere wird von Furcht ergriffen, wieder ein anderer flieht die Welt, und ein vierter wird befreit von seinen Zweifeln. Das ist die göttliche Kraft Buddhas und seines unvergleichlichen Gesetzes.‟ (Vimalakīrtinirdeśasūtra S. 13, 7).

29 Sieben Kobras bilden die Hauben des Nāgakönigs und seiner Königin in dem Relief einer frühen Stupatrommel aus Kafir-kot im British Museum London, Zwalf 1996, S. 250, Nr. 338.

30 Lotos Sūtra. Nach dem chinesischen Text von Kumarajiva, übersetzt von Margareta von Borsig. Freiburg i. Br. 2009, Kap. XII, S. 237–40; Das Lotos-Sūtra. Übersetzt von Max Deeg. Darmstadt 2007. Die älteste Übersetzung vom Sanskrit ins Chinesische von Dharmarakṣa wird in das Jahr 286 n. Chr. datiert, siehe H. Nakamura: Indian Buddhism. Tokyo 1980, S. 186.

31 Zur Zeit der Abfassung des Vimalakīrtinirdeśasūtras (oben Anm. 13) siehe die Einleitung von Kawase Kozyun S. 5: Die älteste bekannte Übersetzung vom Sanskrit ins Chinesische von Tschi-K'ien stammt aus den Jahren 223–253 n. Chr.

32 Als der Einfluss der Mahāyānalehre wuchs, blieb die vom Buddhismus verkündete Gleichberechtigung der Frau dennoch ein uneingelöstes Versprechen: die Buddhaschaft blieb den Männern vorbehalten. Siehe J. Nattier: A Few Good Men. The Bodhisattva Path According to the Inquiry of Ugra (Ugrapariprccha). Honolulu 2003, S. 96–100; G. Schopen: „On Monks, Nuns, and ‘Vulgar’ Practices: The Introduction of the Image Cult into Indian Buddhism.‟ In: Bones, Stones and Buddhist Monks. Honululu 1997, S. 238–257. Siehe ferner D. Y. Paul: Women in Buddhism. Berkeley 1979 [deutsche Ausg.: Die Frau im Buddhismus. Das Bild des Weiblichen in Geschichten und Legenden. Hamburg 1981].

33 Ein Thema im Epos Mahābhārata, dem Gesang Adiparvan XX–XXIII, ist der Streit der Schwestern Vinatā, Mutter Garuḍas und aller Vögel, und Kadrū, Mutter aller Schlangen, die als Himmel und Erde gesehen wurden. Siehe Zin 2003, S. 122 mit Anm. 11; Nacherzählung Vogel 1926, S. 47–57; Charpentier 1920, S. 313. Zur Wesensgleichheit der Mächte des Lichts und der Finsternis siehe A. K. Coomaraswamy: „Angel and Titan: An Essay in Vedic Ontology.‟ In: JAOS 53 (1935) S. 373–419. Zur weiblichen Seite siehe ders.: „The Darker Side of Dawn.‟ In: Smithonian Miscellaneous Collections 94 (1935), S. 1–18. Eine Nāgakönigin ist die Erde in Aitareya Brāhmaṇa V, 23, siehe den Hinweis in Coomaraswamy 1935, S. 386, Anm. 18.

34 Zur Opferrolle in den griechischen Entführungsmythen siehe F. Zeitlin: „Configurations of Rape in Greek Myth.‟ In: S. Tomaselli (Hrsg.): Rape. Oxford 1986; A. Cohen: „Portrayals of Abduction in Greek Art, Rape or Metaphor?‟ In: N. B. Kampen (Hrsg.): Sexuality in Ancient Art. Cambridge 1996. In den erzählenden Gandhārareliefs wird die gewaltsame Durchtrennung aller menschlichen Bindungen beim Antritt des geistlichen Weges in der Legende von der Entführung Nandas vor Augen gebracht, eines jungen Verwandten des Buddhas, den dieser vor der Hochzeit von seiner Braut weglockt, indem er ihn auffordert, ihm die Bettelschale nachzutragen. Zur Frage der Existenz des Ichs siehe Conze 1990, S. 181–182: „Man entwertet die für ein religiöses Leben nach buddhistischen Richtlinien wesentliche Nichtwahrnehmung eines Selbst, wenn man sie zu einer philosophischen Aussage über die definitive Nichtexistenz des Selbst macht. … Im Kontext heilskräftiger Praktiken erweist sich ein absolutes ‘ja’ oder ‘nein’ als nutzlos und irreführend.‟

35 Siehe oben Anm. 7.

36 Foucher (Marshall/Foucher 1940, 1, S. 223–224) stellt fest, dass die Jātakas bereits im Bildrepertoire von Sāñchi stark in den Hintergrund treten und dass dort nur noch zwei Reliefs von Inkarnationen des Bodhisattvas in Tiergestalt erzählen. Bereits in Sāñchi werden die Darstellungen aus seinen früheren Leben weitgehend von den Begebenheiten seiner letzten Biographie verdrängt. Eine weitere Verschiebung sieht Foucher in der Thematik der Gandhārakunst, die er als „exclusively ecclesiastical‟ bezeichnet. Die beiden Legenden von tierischen Inkarnationen des Bodhisattvas in Sāñchi (Ṣaddanta-Jātaka, Mahākapi-Jātaka) und ebenso die einzige, die Foucher aus Gandhāra kannte (Ṣaddanta-Jātaka, siehe A. Foucher: L'Art gréco-bouddhique du Gandhāra. Paris 1905, 1, S. 271) sind Beispiele der Selbstopferung. Diesem höchsten Anspruch genügt das Sussondi-Jātaka bei weitem nicht. Um im Sussondi-Jātaka – einer Geschichte von der Unzuverlässigkeit der Frauen – eine Nāginī unterzubringen, müsste man zudem, wie Azarpay einräumt, eine unbekannte Variante voraussetzen.

37 Der Grußgestus abhayamudrā wird oft Geste der Furchtlosigkeit genannt, weil allein das große Erbarmen des Buddhas die Menschen vor den Schrecken des saṃsāra (dreifache Welt, Kreislauf von Geburt und Tod) schützen und sie aus den Leiden der Seelenwanderung befreien kann. Siehe Conze 1990, S. 242.

38 Rhi 2006 erwähnt den Sitzenden in Anm. 30, S. 16, ordnet ihn aber wegen der Lotosblüte in seiner Hand als Avalokiteśvara ein. Gegen diese Benennung sprechen das Entführungs motiv im Turban und die flatternden Bänder vor seinem Nimbus, ein Attribut des Bodhisattvas Siddhārtha Nr. 18, Paris. Mit der Benennung Avalokiteśvara bestätigt Rhi jedoch den himmlischen Aufenthaltsort. Das schwierige Benennungsproblem lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nicht lösen, sondern nur sichtbar machen. Anzumerken ist aber, dass das Turbanmotiv, so wie es hier gedeutet wurde, auch für Avalokiteśvara, den Bodhisattva des vollkommenen Erbarmens, keineswegs ungeeignet wäre.

39 Siehe A. M. Quagliotti: „A Gandhāran Bodhisattva with Surya on the Headdress.‟ In: M. Taddei / G. De Marco (Hrsg.): South Asian Archaeology 1997. Proceedings of the Fourteenth International Conference of the European Association of South Asian Archaeologists, held in the Istituto Italiano per l'Africa e l'Oriente, Palazzo Brancaccio, Rome, 7–14 July 1997. Rom 2000, III, S. 1125–1152. Neben zwei Beispielen des Motivs im Turban Siddhārthas und einem isolierten Turbanelement stellt sie ein Relief im Museum Kalkutta vor, in dem sich die Ikonographie des Bodhisattvas synkretistisch mit der des Sonnen- und Mondgottes vermischt. Siehe hierzu auch B. Rowland: Buddha and the Sun God. Paris 1938, S. 69–83. Textstellen belegen die Gleichsetzung.

40 Ausgewählte Literatur: G. Schopen: „Mahāyāna.‟ In: R. E. Buswell (Hrsg.): Encyclopedia of Buddhism. New York 2004, S. 492–499; P. Harrison: „Searching for the Origin of Early Mahāyāna.‟ In: The Eastern Buddhist 28 (1995), S. 48–69; A. Noritoshi: „Towards a New Working Hypothesis on the Origin of Mahāyāna Buddhism.‟ In: The Eastern Buddhist 35 (2003), S. 203–218; P. Harrison: „Mediums and Messages: Reflections on the Production of Mahāyāna Sūtras.‟ In: The Eastern Buddhist 35 (2003), S. 114–151; J. Rhi: „Early Mahāyāna and Gandhāran Buddhism: An Assessment of the Visual Evidence.‟ In: The Eastern Buddhist 35 (2003), S. 152–190; P. Williams: Mahāyāna Buddhism: The Doctrinal Foundations. London / New York 22009 (The Library of Religious Beliefs and Practices).

41 Ausgewählte Literatur zum Bodhisattva-Ideal: Nattier 2003; U. Pagel: The Bodhisattvapitaka. Its Doctrines, Practices and their Position in Mahāyāna Literature. Tring 1995 (Buddhica Britannica 5); A. L. Basham: „The Evolution of the Concept of the Bodhisattva.‟ In: L. S. Kawamura: The Bodhisattva Doctrine in Buddhism. Waterloo (Ontario) 1981 (Studies in Religion 10), S. 19–59. Siehe auch oben Anm. 14.

42 Siehe Conze 1990, S. 226.

43 Siehe hierzu G. Schopen: „The Bones of a Buddha and the Business of a Monk: Conservative Monastic Values in an Early Mahāyāna Polemical Tract.‟ In: Figments and Fragments of Mahāyāna Buddhism in India. More Collected Papers. Honolulu 2005, S. 63–107; und ders.: „On Sending the Monks Back to their Books: Cult and Conservatism in Early Mahāyāna Buddhism.‟ In: Schopen 2005, S. 108–153. Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Kunstwerke nach den Zeugnissen des Mūlasarvāstivādavinaya siehe ders.: „Art, Beauty, and the Business of Running a Buddhist Monastery in Northwest India.‟ In: D. M. Srinavasan (Hrsg.): On the Cusp of an Era. Art in the Pre-Kushana World. Leiden 2007 (Brill's Inner Asian Library), S. 287–319.

44 Siehe hierzu Chr. Luczanits: „Gandhāra und seine Kunst.‟ In: Gandhāra 2008, S. 20.

45 Zur Rechtfertigung des Anspruchs, den Mahāyāna-Sūtras die Autorität von Buddhaworten zuzuerkennen, siehe Williams 2009, S. 38–44. Noch ist nicht völlig geklärt, ob lediglich Änderungen der Ordensregeln und des Rituals als spaltend bewertet wurden, oder auch abweichende Ansichten zu Fragen der Doktrin; siehe Harrison 1995, S. 66; Williams 2009, S. 4.

46 Siehe Rhi 2003, S. 154.

47 A. K. Coomaraswamy: „The Rape of a Nagi. An Indian Gupta Seal.‟ In: Bulletin of the Museum of Fine Arts, Boston 35 (1937), S. 38–41, 56–57; ders. in: Zimmer 1951, S. 86, Anm. 10; Azarpay 1997, S. 124, Anm. 36.

48 Zu den geschnittenen Steinen siehe LIMC IV, 2, Taf. 86–88, Nr. 146–162 a. Auch dieses Motiv wurde in Begram gefunden, und zwar als Gipsmedaillon, siehe LIMC IV, Taf. 86, Nr. 138, Museum Kabul.

49 Siehe A. Filigenzi: „Buddhistische Kunst im sozialen Kontext.‟ In: Gandhāra 2008, S. 298–301.

50 Siehe Anhang, Nr. 1.

51 Siehe die Yaksī aus Nathu im Indian Museum, Kalkutta, Marshall 1960, Taf. 61, Abb. 89, und ihre Ahnin aus Bharhut, ebenfalls in Kalkutta, A. K. Coomaraswamy: „Yaksas.‟ In: Smithsonian Miscellaneous Collections 80 (1928), Taf. 4, 2. Zum Fruchtbarkeitsund Schutzaspekt der Baumgöttinnen siehe ebd. S. 32–36.

52 Das Standmotiv der Baumgöttin wurde im Bilderzyklus des Buddhalebens fest mit dem Typus der Māyā in der Szene seiner Geburt verbunden. Die Gebärende steht dort unter einer Salweide und greift mit der Rechten in die Krone hinauf, während der linke Arm auf der Schulter oder der Taille ihrer Schwester ruht.

53 Zum Schamgürtel siehe Fischer 1987 (Anhang, Nr. 5) S. 63; Coomaraswamy 1928, S. 32.

54 Unter den wenigen bekannten Fundorten taucht nur Sanghao, einschließlich des benachbarten Nathu, mehrfach auf (Nr. 1, 7, 22); die Angabe „probably Sanghao‟ bei Nr. 14 ist schwer zu bewerten.

55 Zu den identifizierenden Volutenfedern siehe das Garuḍabanner in der Hand einer königlichen Standartenträgerin in Bharhut, Coomaraswamy 1956, Taf. 5, Abb. 16.

56 Siehe Zwalf 1996, S. 124 zu Nr. 106: Lahore 950(W); Denver 0–575.

57 Die figürliche Kettenfassung zeigt zwei Eros- oder Yakshaknäblein, die zwischen sich einen großen prismenförmigen Edelstein, das Mittelstück des Halsschmucks, tragen. Eroten als Gabenbringer waren im 2./3. Jh. n. Chr. eine übliche Form der Kettenfassung an Bodhisattvabildnissen. Ungewöhnlich ist die Wiederholung im Turban, die auf das Motiv aufmerksam macht und dazu auffordert, über seine Bedeutung im Zusammenhang nachzudenken. Die besonders schonungslose Version der Nāginīentführung wird durch die Eroten mit einer Note von Leben und Fülle untermalt.

58 A. Cunningham: The Stûpa of Bharhut. London 1879, S. 23: „Like the Yakshas the Nāgas occupied a world of their own, called Nāgaloka, which was placed amidst the waters of this world, immediately beneath the three-peaked hill of Trikuta, which supported Mount Meru.‟ Zum Nāgaloka siehe Vogel 1926, S. 30–32, S. 135. Seine zauberhafte Welt wird in vielen Legenden beschrieben.

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