Weiter zum Inhalt

Die Schlacht am Fei (383) und ihre Folgen. Ein Beitrag zur chinesischen Historiographie nebst einer Übersetzung aus Sima Guangs Zizhi tongjian


Seiten 411 - 438

DOI https://doi.org/10.13173/zeitdeutmorggese.162.2.0411




Summary

The battle at the Fei river (383) is considered one of the most important military events of the period commonly called “early medieval China”. However, some details of the campaign described in historiographical works can be doubted, which may be ascribed not only to the fact that Chinese historians usually had only superficial knowledge of military affairs, but also that they tended to care more about the overall narrative and educational value of their records. A western scholar even questioned whether the battle ever took place at all, thereby of course drawing infuriated criticism by Chinese scholars. In the end, it seems unlikely that premodern Chinese historians should have invented a whole battle for which there was absolutely no actual event, but it is quite possible that they dramatically exaggerated its scale and the way it was fought.

Berlin

1 Dieser Artikel entstand im Rahmen eines DAAD-Forschungsprojektes zur Kultur des frühen chinesischen Mittelalters. Ich bedanke mich herzlich beim DAAD sowie bei meinem Mentor, Herrn Professor Dr. Liu Yuejin 劉躍進 (Peking; Herausgeber der Zeitschrift Wenxue yichan 文學遺產), für substantielle Hilfe und Unterstützung während des gesamten Projekts. Dieser Text basiert auf meinem Vortrag „Modern Perspectives on Chinese History: The Battle at the River Fei (383)‟, den ich am 12. Oktober 2006 im Chinese Culture Club in Peking gehalten habe. Ich bedanke mich bei Herrn Feng Cheng 馮承, dem Leiter des Clubs, für seine freundliche Einladung, bei Ryan Monarch (Peking) für seine Unterstützung während der Vorbereitungsphase und bei Professor em. Dr. Lutz Bieg (Köln) für zahlreiche wertvolle Hinweise und Ratschläge. Ebenso danke ich Herrn Jörg Baden für die Durchsicht des Abstracts.

2 Den beginnenden Übergang zur Moderne kann man in die Mitte des 19. Jh. datieren, als chinesische Intellektuelle aufgrund des Kontakts mit westlicher Wissenschaft zusehends begannen, ihre tradierten Gewissheiten in Frage zu stellen.

3 Diese Bezeichnung hat sich jedoch erst seit der späten Song-Dynastie 宋朝 (960–1297) eingebürgert, wahrscheinlich weil man Verwechslungen mit der viel bekannteren Qin-Dynastie 秦朝 (221–207) vermeiden wollte.

4 Siehe Otto Franke: Geschichte des chinesischen Reiches. Berlin 1936, Bd. 2, S. 125.

5 Jinshu, Kapitel 114, in der Zhonghua shuju 中華書局-Ausgabe Band 9, S. 2916–2918. Sofern nicht anders angegeben, orientieren sich die folgenden Absätze an dieser Vorlage.

6 Die wichtigsten der hier genannten Orte findet man auf der angefügten Karte (Abb. 1). Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist die Lage einige Orte, die relativ nahe beieinander liegen, mit einer gemeinsamen Ziffer gekennzeichnet.

7 Shouchun wird gelegentlich auch als Shouyang 壽陽 bezeichnet. Es befindet sich im heutigen Zentral-Anhui. Der Fei-Fluss wird auch 淝水 geschrieben.

8 Vgl. Michael C. Rogers: „The myth of the battle of the Fei River (A.D. 383).‟ In: T'oung Pao 54:1/3 (1968), S. 50–72. Hier S. 51.

9 Ich stütze mich im Folgenden vor allem auf David Graff: Medieval Chinese Warfare, 300–900. London 2002.

10 Ich orientiere mich hierbei an der Übersetzung der beiden Begriffe durch Graff 2002, S. 6: „announcements of victory‟ und „accounts of conduct‟.

11 Helwig Schmidt-Glintzer bemerkt mit Blick auf das historische Werk Shiji 史記 (entstanden zwischen 104 und 87 v. u. Z.), das über zwei Jahrtausende hinweg maßgeblich für chinesische Geschichtsschreiber war, dass der Verfasser Sima Qian 司馬遷 „vor allem Reden und Berichte über einzelne Schlachtereignisse […] offenbar frei erfunden oder früheren Werken […] entnommen‟ hat. Siehe Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur. Bern/München/Wien 1990, S. 130.

12 Graff 2002, S. 9.

13 Um die Zeitenwende zählte die Westliche Han-Dynastie, wie moderne Schätzungen aufgrund zeitgenössischen Materials vermuten, ungefähr 57 Millionen Einwohner, and während der Sui-Dynastie (581–618) sollen es 46 Millionen gewesen sein. Vgl. Graff 2002, S. 10.

14 Schmidt-Glintzer hat darauf hingewiesen, dass „eine wirkliche Trennung von Geschichtsschreibung und Literatur weder praktisch noch auf der Ebene der Theorie jemals wirklich durchgeführt wurde.‟ Siehe Schmidt-Glintzer 1990, S. 134.

15 Michael C. Rogers 1968, S. 50–72.

16 Sollte die Vermutung Rogers' zutreffen, dann verfehlte die verklausulierte Warnung allerdings ihr Ziel: Taizong zog noch 645 nach Gaoli, um dort einen bitteren Misserfolg zu erleiden. Vier Jahre später unternahm er einen weiteren Versuch, der wahrscheinlich von Erfolg gekrönt gewesen wäre, wenn ihn nicht der Tod dahingerafft hätte.

17 Siehe Hans Bielenstein: „The Six Dynasties, Volume I.‟ In: Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities 68 (1996), S. 87.

18 Sun Weiguo 孫偉國: „Feishui zhi zhan: Chutang shijiamen de xugou? – Dui Maike'er Luojiesi yong houxiandai fangfa jiegou Zhongguo guan xiuzheng shi ge'an de jiegou 淝水之戰: 初唐史家们的虛構? 對迈邁克尔·羅杰斯用后現代方法結構中國官修正史个案的結構 (Die Schlacht am Fei-Fluß: Bloße Erfindung von Historikern der frühen Tang-Zeit? Eine Analyse der postmodernen Analyse Michael Rogers' der Bearbeitung historischer Quellen durch chinesische Beamte).‟ In: Hebei xuekan 2004/1, S. 77–83.

19 Die moderne Zhonghua shuju-Ausgabe umfasst 20 Bände à 480 Seiten.

20 Zhonghua shuju 1956, Band 7, S. 3307–3320.

21 Für die Lokalisierung von Orten, Regionen und Flüssen habe ich benutzt: Wei Songshan 魏嵩山 (Hrsg.): Zhongguo lishi diming da cidian 中國歷史地名大辭典, Guangzhou: Guangdong jiaoyu chubanshe 1995, 2 Bände; Tan Qixiang 譚其驤 (Hrsg.): Zhongguo lishi ditu ji 中國歷史地圖集, Beijing: Zhongguo ditu chubanshe 31996, 4. Band.

22 Für die Übersetzung von Titeln und Rängen wurden benutzt: Charles O. Hucker: A dictionary of Official Titles in Imperial China. Stanford 1985; Yu Lunian 俞鹿年 (Hrsg.): Zhongguo guanzhi da cidian 中國官制大辭典, Harbin: Heilongjiang renmin chubanshe 21998, 2 Bände; Lü Zongli 呂宗力 (Hrsg.): Zhongguo lidai guanzhi da cidian 中國歷代官制大辭典, Beijing: Beijing chubanshe 1994. Die Titel von Generälen, die manchmal etwas merkwürdig anmuten mögen, habe ich möglichst wortgenau zu übersetzen versucht.

23 Ein li 里 entspricht etwa einem halben Kilometer.

24 Damit will Fu Jian ausdrücken, dass er die Genannten für unfähig hält.

25 Nach Hucker 1985, S. 323, hatte das Sekretariat insgesamt 36 Abteilungen.

26 Hier ist Sima Guang offenkundig ein Fehler unterlaufen, denn wie man Abschnitt 6e entnehmen kann, wurde diese Operation von Murong Wei 慕容暐 durchgeführt.

27 Eine knappe Schilderung dieser Geschehnisse findet man in Otto Franke 1936, Bd. 2, S. 83.

28 Gemeint sind hier der Tong-Pass 潼關 oder auch der Hangu-Pass 函谷關, beide in unmittelbarer Nähe der „Ferse‟ des Gelben Flusses im heutigen Shaanxi/Henan gelegen. „Östlich der Pässe 關東‟ bezeichnet also etwa das Gebiet der heutigen Provinzen Shanxi, Henan, Hebei und Shandong.

29 Nur ein Ehrentitel, denn Langya im südwestlichen Shandong gehörte nicht zum Territorium der Jin.

30 Wörtlich: „nördlich des [Gelben] Flusses‟. Es wird nicht ganz klar, ob hier ein konkreter Ort gemeint ist. Städte namens Heyang gab es im fraglichen Gebiet zwar durchaus, allerdings lässt sich kein direkter Zusammenhang zu diesen feststellen.

31 Das Zeichen 石 (shi) wird dan ausgesprochen, wenn es als Maßeinheit dient. Ein dan entsprach zur fraglichen Zeit ca. 90 Litern.

32 Dieser Mann soll zur Zeit der Streitenden Reiche (475–221) mit seiner Methode der Tigerjagd berühmt geworden sein: Er wartete ab, bis sich zwei Tiger im Kampf um die Beute erschöpft und verwundet hatten, und schlug erst dann zu.

Empfehlen


Export Citation